Frauen

„Der Abschied war emotional“

Stephan Lerch blickt auf seine erfolgreiche Zeit beim VfL Wolfsburg zurück.

Die Fußspuren von Ralf Kellermann waren groß, doch nach vier Jahren Cheftrainer-Tätigkeit bei den Frauen des VfL Wolfsburg steht fest: Stephan Lerch hat die grün-weiße Erfolgsgeschichte seines Vorgängers fortgeschrieben und weitere Kapitel hinzugefügt. Sieben von acht möglichen nationalen Titeln verantwortete der gebürtige Hesse in seiner Funktion, vier Erfolge im DFB-Pokal und drei Meistertitel. Allein im internationalen Wettbewerb hat es nicht zum großen Wurf gereicht, wobei die Final-Teilnahmen 2018 und 2020 durchaus als Erfolge betrachtet werden dürfen. Bevor der 36-jährige Fußballlehrer, der künftig die U17-Junioren der TSG 1899 Hoffenheim trainieren wird, seine Zelte in Wolfsburg endgültig abbricht, blickt er noch einmal auf sein Wirken beim VfL zurück.

Stephan Lerch, wie hast du die letzten Tage mit dem Abschied nach dem letzten Liga-Spiel gegen den SV Werder Bremen verarbeitet?

Stephan Lech: Der Abschied war emotional. Nach dem Schlusspfiff ist mir tatsächlich das Wasser in die Augen geschossen. Und als ich mein Staff-Team umarmt habe, wurde es mit der Stimme immer weniger. Es wäre aber auch schlimm, wenn mich der Abschied nach insgesamt acht Jahren beim VfL Wolfsburg nicht emotional berühren würde.

An welche Momente denkst du besonders gerne zurück?

Lerch: Das ist eine schwere Frage, weil es natürlich viele unvergessliche Momente gab. Im sportlichen Bereich waren es gewonnene Titel, wie etwa meine erste Meisterschaft. Da kann ich mich noch genau an den Schlusspfiff erinnern. Aber auch die Finalspiele im DFB-Pokal haben ihren Platz, wenn ich an das Elfmeterschießen gegen Bayern München 2018 denke. Im ersten Jahr als Cheftrainer war alles neu, das ist dann nochmal intensiver. Und die gerade zurückliegende Saison war aufgrund der Rahmenbedingungen die herausforderndste meiner Karriere. Dazwischen lagen viele tolle, auch lustige Momente mit Menschen. Ich durfte viele Erfahrungen sammeln, die mich auf alle Fälle als Mensch und Trainer weitergebracht haben.

Ich durfte viele Erfahrungen sammeln, die mich auf alle Fälle als Mensch und Trainer weitergebracht haben.

Blicken wir noch einmal speziell auf die letzte Saison zurück. Eine erfolgreiche, weil wieder ein Titel gewonnen werden konnte?

Lerch: Ja, auf alle Fälle. Wobei ich gar nicht den Eindruck aufkommen lassen will, dass der DFB-Pokal eine Art Trostpreis war. Wir haben Bayern im Halbfinale geschlagen und ein sehr enges Endspiel für uns entschieden. Daher bin ich sehr stolz, unsere wahnsinnige Serie in diesem Wettbewerb ausgebaut zu haben. Klar sind wir auch etwas enttäuscht, dass es mit der Meisterschaft nicht geklappt hat. Man muss aber zugeben, dass der FC Bayern München eine sehr souveräne Runde gespielt hat und absolut verdient den Titel gewonnen hat.

Mit 59 Punkten sind die VfL-Frauen der beste Vizemeister aller Zeiten. Bedeutet dir dies etwas?

Lerch: Natürlich kann man sich nichts davon kaufen. Aber aufgrund der schwierigen und herausfordernden Saison zeigt dieses Zahlenspiel, dass wir dennoch eine sehr gute Saison gespielt haben. Gegen Bayern kann man auch mal verlieren, das sind immer enge Spiele auf Augenhöhe. Das Spiel gegen Freiburg war ärgerlich – am Ende hätten die dort liegengelassenen Punkte aber auch nicht gereicht. Und etwas zeigen diese 59 Punkte auch noch.

Was meinst du?

Lerch: Dass uns auf alle Fälle nicht, wie oft behauptet, die nötige Konstanz gefehlt hat. Wir hatten nicht mehr diese Dominanz, die wir aus den letzten Jahren, als wir die Latte selbst hochgelegt haben, gewohnt waren. Das würde ich unterschreiben. Aber man kann eben nicht einen Rekord nach dem anderen aufstellen. Viel mehr als letzte Saison geht ja auch nicht mehr.

Du hast kürzlich deine Ausbildung zum Fußballlehrer erfolgreich abgeschlossen, hinzu kommen vier Jahre Cheftrainer-Tätigkeit auf höchstem Niveau. Was nimmst du mit aus diesen Erfahrungen?

Lerch: Als Trainer ist man wie der Dirigent eines Orchesters, der den Takt vorgibt – und manchmal muss er eben auch ein paar Takte voraus denken. Man muss das ganze Orchester managen, Hilfestellungen geben, auch mal Kritik üben. Und ein schönes Stück kommt nur dann zustande, wenn alle an einem Strang ziehen und ihre Aufgaben auch erfüllen. Diese Metapher nehme ich mit, das habe ich hier verinnerlicht. Eine One-Man-Show funktioniert nicht in diesem Beruf.

Zum Schluss müssen wir noch für Aufklärung bezüglich deines Outfits sorgen. Im letzten Jahr hast du konsequent dein Champions-League-Outfit auf der Trainerbank getragen. Davor kannte man dich meistens nur im Trainingsanzug. Wie kam es dazu?

Lerch: Ich wusste ja relativ lange, dass es meine Abschiedssaison ist. Von daher war jedes einzelne Spiel für mich etwas Besonderes, wie ein Champions-League-Spiel. Und daher habe ich mich eben für ein schickeres Outfit entschieden.