Frauen

Das Fußball-Mädchen aus Malaysia

Als ein Ausnahmetalent ihres Landes versucht „Rania“ nun den Sprung in den deutschen Fußballnachwuchs.

Qaseh Rania Binti Khairul Najib, genannt “Rania”, beeindruckt in Wolfsburg gerade nicht nur mit ihren Künsten am Ball, sondern auch mit ihrer außergewöhnlichen Geschichte. Knappe zehntausend Kilometer Luftlinie entfernt gilt die junge Malaysierin als das größte Fußballtalent ihres Landes. Sie gibt Interviews, ist in Radiosendungen zu Gast, Zeitungen berichten über sie und für ihre gerade einmal 14 Lebensjahre hat sie auch schon eine beachtliche Anzahl an Instagram-Followern. Nun versucht sie, den Sprung nach Deutschland, genauer gesagt nach Wolfsburg, zu schaffen. Hier ist Ranias einzigartige Geschichte.

Von Kuala Lumpur nach Wolfsburg

Ranias Geschichte beginnt in ihrer Heimat Malaysia. Als sie zehn Jahre alt war, folgte sie ihrem Bruder eines Tages auf den kleinen Fußballplatz, der unweit ihres Zuhauses liegt. Ranias Bruder hatte hier schon häufiger mit Freunden Fußball gespielt. Für Rania selbst war es das erste Mal und sie verliebte sich auf Anhieb in diesen Sport. Als die beiden nach vielen Stunden dann wieder zuhause ankamen, ging Rania zu ihrem Vater und sagte: „Papa? Ich glaube, ich will Fußball spielen.“ Und ihr Vater wollte ihr diesen Wunsch erfüllen. Wie sich herausstellte, war dies aber gar nicht so einfach, denn in der näheren Umgebung ihres Heimatortes gab es nicht einen einzigen Fußballverein für Frauen oder Mädchen. Es gab lediglich ein kleines Futsal-Team.

Knapp zwei Jahre spielte Rania dort, bis sie sich einem richtigen Fußballverein anschloss. Mit gerade einmal zwölf Jahren spielte sie dann in einer U15-Juniorenmannschaft. Wenig überraschend waren von da an alle Augen auf sie gerichtet. Nicht nur, weil sie jünger war als ihre Mitspieler, sie war auch das einzige Mädchen in ihrem Team und in der gesamten Liga. Darüber hinaus erzielte sie in einem Spiel ihrer Mannschaft ein wunderschönes Tor, welches glücklicherweise mit einer Kamera eingefangen wurde. Der Freistoß aus gut 25 Metern schlug rechts oben im Netz ein. Bei den Fans brandete Jubel auf und die 21 anderen Jungs auf dem Platz staunten nicht schlecht.

Award vom Kronprinzen

Das Video ging viral. Sogar Fußballscouts aus Europa sind nach diesem Video auf die damals zwölfjährige Rania aufmerksam geworden. Ein kroatischer Erstligist lud sie daraufhin sogar zum Probetraining ein. Fast zwei Wochen lang trainierte die junge Malaysierin in der dortigen Frauenmannschaft mit und überzeugte, letztendlich entschieden sich Rania und ihre Familie dann aber gegen das Angebot aus Kroatien. In den Augen der Eltern war es noch zu früh und Rania zu jung für diesen lebensverändernden Schritt. Zurück in Malaysia ging es dann sehr erfolgreich weiter für das Supertalent.

Mit gerade einmal 13 Jahren wechselte Rania in die erste malaysische Liga, zum MBSJ FC – ein Team gespickt mit zahlreichen Nationalspielerinnen verschiedener Länder. In der Liga maß sie sich teilweise mit Frauen, die doppelt so alt waren wie sie. Bis heute ist Rania die jüngste Spielerin und jüngste Torschützin der FAS Women‘s Super League aller Zeiten. Darüber hinaus gewann ihre Mannschaft sogar die Meisterschaft und Rania erhielt den Award für das beste junge Talent der Liga. Überreicht wurde ihr die Trophäe vom Kronprinzen Tengku Amir Shah persönlich. Was für eine große Ehre für sie!

Das zweite Klopfen

Im Jahr darauf wechselte Rania den Verein und gewann mit diesem dann noch zusätzlich den nationalen Pokal ihres Verbandes. Während Rania diese ganzen Erfolge feierte, tat sich auch einiges abseits des Fußballplatzes, das dem malaysischen Ausnahmetalent möglicherweise die Tür zum europäischen Profifußball geöffnet hat: Denn 2023 eröffnete der VfL Wolfsburg ein Büro in Malaysia. Kuala Lumpur war erst der zweite Standort in Asien, wo der VfL im Zuge seiner Internationalisierungsstrategie seine Zelte aufschlug. Unter anderem sollten dort auch nationale Talente gefördert werden.

Davon hörte auch Ranias Vater Ibrahim Khairul Najib und machte sich, noch in der Woche der Eröffnung der Außenstelle, kurzerhand auf den Weg zu den neu errichteten Büros in der Hauptstadt Malaysias, um dort ganz ungeniert anzuklopfen und für seine Tochter zu werben. Doch niemand öffnete ihm. Unverrichteter Dinge zog er wieder von dannen, ohne sich aber entmutigen zu lassen. Bereits am darauffolgenden Tag versuchte er sein Glück erneut und klopfte an die Tür des Bürogebäudes. Diesmal mit Erfolg. Die Tür wurde ihm geöffnet, es gab ein kurzes Gespräch und es wurden Nummern ausgetauscht. Ab diesem Tag war Ranias Vater im ständigen Austausch mit Ken Hew, dem Chief Representative South East Asian des VfL. Ziemlich genau ein Jahr später, nach unzähligen Gesprächen und der Klärung organisatorischer Dinge, bekamen Rania und ihr Vater das „Go“. Da in Malaysia zu dieser Zeit Schulferien waren, machten sich Vater und Tochter kurzerhand auf den Weg nach Deutschland. Nach kurzem Kennenlernen bekam Rania ihr grün-weißes Trainings-Outfit und einen eigenen individuellen Trainingsplan für den Zeitraum ihres Aufenthalts.

Der Aufenthalt in Wolfsburg

Vom 8. August bis zum 7. September war Rania in Deutschland und trainierte in der Nachwuchsabteilung der Wölfinnen mit. Die junge Fußballerin erhielt die Chance, sich im Training der U15- und U17-Juniorinnen zu zeigen. Zusätzlich stand sie im Kader für ein Turnier und ein Testspiel der U15. Ein straffes Programm für die 14-Jährige, das sie bis zum Schluss knallhart durchzog. Sogar an trainingsfreien Tagen machte sich die junge Malaysierin auf den Weg zum Kunstrasenplatz, um eine extra Einheit hinzulegen.

Dieser Fleiß sollte sich auszahlen! Anna Fries, Trainerin der U15-Juniorinnen, registrierte den besonderen Trainingseifer der jungen Südostasiatin: „Im Vergleich zu unseren Mädels ist Rania physisch sehr stark. Sie ist immer motiviert, fleißig und hat eine Menge Ehrgeiz.“ Aber natürlich gibt es auch noch Punkte, an denen Rania arbeiten muss, wenn sie irgendwann den Sprung in den europäischen Spitzenfußball schaffen möchte. „Im defensiven Eins-gegen-eins muss sie noch besser werden und lernen, ihren Körper bewusster einzusetzen. Außerdem muss sie schneller die richtigen Entscheidungen auf dem Platz treffen“, erklärt Fries.

Wie anders sich der Fußball in Deutschland dann tatsächlich anfühlt, bemerkte Rania spätestens bei ihren Einsätzen bei einem Turnier in Aurich und beim Freundschaftsspiel gegen Turbine Potsdam. „Es ist alles schneller, taktischer und es wird körperlicher gespielt“, befand die 14-Jährige. Zusätzlich hat die Malaysierin mit ungeahnten Problemen zu kämpfen: „Der Wind ist oft so stark, da wird mir richtig kalt. Dazu fällt es mir schwer zu atmen, weil die Luft so trocken ist.“

„Mein Ziel ist es, Fußballprofi zu werden!“

Eines steht für das Fußballtalent aus Malaysia fest: „Mein Ziel ist es, Fußballprofi zu werden!“ Und nicht nur das, insgeheim träumt Rania auch schon davon, hier Titel zu gewinnen: „Eines Tages möchte ich in Deutschland die Meisterschaft und den DFB-Pokal gewinnen.“ Durchaus ambitionierte Ziele, zumal sie die erste Südostasiatin wäre, welcher der Sprung nach Wolfsburg gelingen würde. Aber wer sich zwei der besten Fußballerinnen Deutschlands als Vorbilder nimmt, der darf auch von großen Titeln träumen: „Meine Idole sind Alex Popp und Jule Brand“, verriet sie. „Leider konnte ich sie bis jetzt noch nicht persönlich treffen.“ Aber auch das sollte sich ein paar Tage später ändern.

Der Sportliche Leiter der Juniorinnen des VfL Wolfsburg, Daniel Kraus, betont, wie wertvoll diese Zeit für Malaysias Supertalent war: „Rania konnte hier in den vier Wochen Erfahrungen sammeln, die sie mit Sicherheit fußballerisch weiterbringen werden. Sie hat professionelle Strukturen kennengelernt und konnte auf einem anderen Niveau trainieren und spielen, als sie es aus ihrer Heimat gewohnt ist.“ Dementsprechend gespannt blickt man momentan auch aus dem fernen Südostasien nach Wolfsburg. Nicht nur die zurückgelassene Familie, sogar der Minister ihres Bundesstaates Selangor, Ahmad Azri, war sehr interessiert an Ranias Reise und wollte durchgehend auf dem Laufen gehalten werden. „Herr Azri hat uns extrem geholfen, dass wir überhaupt hier nach Wolfsburg kommen konnten“, möchte sich Ranias Vater bei diesem bedanken. Und natürlich beim VfL Wolfsburg.