Die Fußball-Frauen des VfL Wolfsburg schreiben einmalige Erfolgsgeschichte

Es war von langer Hand geplant, als die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg in der Saison 2013 zum ganz großen Wurf ausholten. Nach dem Wiederaufstieg 2006 belegten die VfL-Frauen zunächst solide Mittelfeldränge. Zur Weichenstellung wurde zwei Jahre später die Verpflichtung von Cheftrainer Ralf Kellermann. Zusammen mit Geschäftsführer Thomas Röttgermann entwickelte er eine konkurrenzfähige, hungrige Mannschaft, die mittelfristig in der Spitzengruppe der Liga mithalten sollte. Eine sensationelle Erfolgsgeschichte begann, die alle Erwartungen weit übertraf. Als Vize-Meister zogen die Wölfinnen 2012 erstmals in die Champions League ein. Dem Meilenstein folgte eine wahre Fabelsaison mit der Krönung zwölf unvergesslicher Tage im Mai: Die VfL-Frauen, bislang noch ohne eine Trophäe in der Vitrine, stürmten 2013 in allen drei Wettbewerben zum Titel.

Schon früh in der Saison zeigten die Wölfinnen Fußball vom Feinsten. Nicht nur technisch, vor allem auch körperlich waren sie ihren Gegnern um Längen voraus. Zwei Heimsiege gegen Frankfurt und Potsdam wurden zum Herzstück der erfolgreichen Hinserie. Im zweiten Saisonabschnitt kam die Konkurrenz bald nicht mehr hinterher. Ein 2:1-Coup in Freiburg durch ein Tor in der 94. Minute machte spätestens klar, dass der neue Meister nur aus Wolfsburg kommen konnte. Und tatsächlich: Mit einem souveränen Auswärtssieg am viertletzten Spieltag in Leverkusen machten sie die erste Deutsche Meisterschaft faktisch perfekt. Ehe elf Tage später – nach einer 4:0-Abschlussgala in der Volkswagen Arena gegen Bad Neuenahr – Kapitänin Nadine Keßler schließlich die Schale in die Luft stemmen durfte.

Doch nicht nur in der Meisterschaft waren die Wolfsburgerinnen das Maß der Dinge. Auch im DFB-Pokal führte kein Weg an der Mannschaft von Ralf Kellermann vorbei. Vor der Saison klang es fast vermessen, als der Cheftrainer den Einzug ins Pokalfinale als Ziel formulierte. Noch nie waren die Wölfinnen so weit gekommen. Doch die Mannschaft ließ den Chefcoach nicht hängen. Über Zweitligist Lübars und den FCR Duisburg und den FF USV Jena marschierte der VfL ins Halbfinale. Dort hatte der SC Freiburg keinerlei Chance. Mit einem 5:0-Auswärtssieg erfüllten sich die Grün-Weißen ihren jahrelangen Traum. Zum ersten Mal waren sie im Endspiel dabei, dürften sich zur Nationalhymne aufstellen und einem großen TV-Publikum zeigen. Dass selbst Turbine Potsdam auf Kölner Boden nichts auszurichten hatte, überraschte zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr. Mit einem 3:2-Triumph kassierte der VfL sieben Tage nach der Meisterschaft auch den DFB-Pokal ein. Nun waren die Wölfinnen schon Double-Gewinner.

Doch selbst mit zwei Titeln gaben sich die VfL-Frauen nicht zufrieden. Als Debütant in der Champions League zogen die Grün-Weißen auch hier ins Finale – und übertrafen sich selbst. Unia Raciborz, Roa IL, FK Rossiyanka und LFC Arsenal hießen die ersten Gegner. Die heiße Saisonphase hatte inzwischen begonnen. Eine Englische Woche folgte auf die nächste. Doch die Wölfinnen ließen nicht nach. Im Endspiel von London wartete dann ein scheinbar unbezwingbares Team: Olympique Lyon. Seit drei Jahren hatten die Französinnen nicht mehr verloren. Doch den Grün-Weißen gelang der ganz große Wurf: Mit einer taktischen Meisterleistung schafften sie es, den übermächtigen Gegner zu überrumpeln. Per Handelfmeter sorgte Urgestein Martina Müller, die später als erste VfL-Spielerin zur „Fußballerin des Jahres“ gewählt wurde, an der Londoner Stamford Bridge für das einzige Tor. Es war die Krönung einer mit Höhepunkten gepflasterten Saison, in welche die Wölfinnen ohne einen Titel auf dem Briefkopf gestartet waren. Und an deren Ende ganz Europa über sie staunte.

Drei Trophäen in drei Wettbewerben – was konnte nach einer solchen Ausnahmeleistung noch kommen? Ins Spieljahr 2013/2014 startete der Überall-Titelverteidiger unter komplett anderen Voraussetzungen. Ab sofort waren die VfL-Frauen nicht mehr heimlicher Jäger, sondern Gejagter. Nach Monaten wie im Rausch eine völlig neue Herausforderung. Doch die Grün-Weißen, deren DFB-Nationalspielerinnen im Sommer auch noch Europameister wurden, blieben sich treu. Mit leicht veränderter Mannschaft, aber dem gleichen Siegeswillen und Titelhunger zogen sie erneut die Menschen in ihren Bann. Das Saisonziel, die Euphorie aus der Triple-Spielzeit zu halten, wurde nicht nur spielend erreicht. In zwei denkwürdigen Endspielen sprangen sogar erneut zwei Titel heraus.

In seine zweite Champions League-Saison startete der VfL mit einem Rekord: 27 Tore in zwei Duellen mit Pärnu JK bedeuteten in der Geschichte der Königsklasse Bestwert. Die Aufgaben wurden schnell ambitionierter. Schon auf dem Weg ins Finale erledigte die Kellermann-Elf mit Malmö und Barcelona zwei Mitfavoriten. Und stand dann an einem Scheideweg: Vor dem Halbfinale gegen Potsdam, zu dieser Zeit auch in der Liga vorn drohte eine titellose Saison. In einem denkwürdigen Rückspiel setzte sich der VfL mit 4:2 durch und stand im Endspiel von Lissabon. Was sich dort zutrug, war ein Triumph der grün-weißen Moral. Tyresö FF aus Schweden, mit Stars wie der Brasilianerin Marta gespickt, führte zur Pause mit 0:2. Der VfL stand wieder auf, glich zum 2:2 aus und drehte nach einem erneuten Rückstand das Spiel komplett. Im dramatischsten Endspiel in der Geschichte der Königsklasse siegte Grün-Weiß mit 4:3 und holte sich erneut den Henkelpokal. Es war das erste Mal, dass ein Bundesligist  diesen Titel verteidigen konnte.

Im Kerngeschäft rollte die Kellermann-Elf das Feld diesmal von hinten auf. Nach durchwachsenem Start hielt sie sich im Titelkampf vorerst im Hintergrund. Die einzige Saisonniederlage, ein 1:3 beim FC Bayern zum Rückrundenstart, wurde zum Schlüsselmoment. Zehn Spieltage vor Schluss lag die Tabellenspitze scheinbar unerreichbar entfernt. Den Wölfinnen blieb kaum eine Wahl, als alle restlichen Spiele zu gewinnen – und genau das machten sie auch. Sieg um Sieg kämpften sie sich zurück, konnten als erstes Potsdam durch einen 2:0-Erfolg hinter sich lassen. Und hatten am letzten Spieltag im direkten Duell mit dem Spitzenreiter 1. FFC Frankfurt alles wieder selbst in der Hand. Was sich in dieser Partie am Elsterweg abspielte, ging unter die Haut. Bis kurz vor Schluss war Frankfurt durch ein spätes 1:1-Ausgleichstor auf Titelkurs. Dann aber schraubte sich Alexandra Popp in die Luft und köpfte Grün-Weiß im letzten Moment noch zur Meisterschaft. Es war zwei Minuten vor deren Ende die einzige Tabellenführung der ganzen Saison.